MASTERPLANUNG TU NÜRNBERG

diskursives Verfahren 2021: 1.Preis

Leitidee 

Es ist eine einmalige Gelegenheit, eine neue Universität als zusammen­hängendes Ganzes mit charakteristischer baulicher Identität zu planen. Unser Leitbild ist eine signifikante und unverwechselbare Struktur, die das Zusam­menspiel von For­schung, Lehre und Innovation thematisiert und bei der alle Departments der neuen Alma Mater gleichbe­rechtigt nebeneinander und um eine ge­mein­same Mitte ange­ordnet sind. Diese nimmt in Form eines zentralen Bandes idealtypisch und als Nuc­leus alle gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen, Lern- und Lehrflächen, die Hörsäle, die Bibliothek etc. auf. Unter einer plastisch geformten grünen Dachlandschaft, die als Campuswiese genutzt wird, werden in einer durch­gängigen Gebäudestruktur – entlang seit­licher Glasfassaden und um riesige Licht­höfe herum – alle Sonder­nutzungen angeordnet.

Alle weiteren Einrichtungen der neuen Universität sind als Sinnbild der TU Nürnberg und ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit um diese gemeinsame Campusmitte herum als prägnante Volumen angeordnet. Nicht ein einzelnes Institut, sondern die Summe aller bestimmt den Charakter und prägt das Bild der neuen Universität. Bestmöglich verflochten sind sie über das Wegenetz und die gemeinschaftlichen Nutzungen in ihrem Zentrum. Die Departments sind Häuser mit eigener Identität und Adresse. Sie stehen wie in einem städtischen Gemeinwesen in einer definierten Figur nebeneinander. Ihre Ein­gangs- und Gemeinschaftsbereiche sind durch groß­zügige Öffnungen und mittels transparenter Erdgeschosszonen optimal mit dem Campus verzahnt. Durch ihre Aus­richtung und Orientierung kommunizieren sei miteinander und treten in ein funktionales und räumliches Zusammenspiel.  

Das Leitbild der integrativen Einheit wird überlagert von unserer städtebau­lichen / freiraumplanerischen Struktur, die konsequent aus der West 8 Pla­nung der an­grenzenden Quartiere und Randbereiche übernommen wird. Das städte­bauliche Konzept legt großen Wert auf die Verzahnung mit dem angren­zenden Stadt- und Landschaftsraum. Ferner ist es von zentraler Bedeutung, dass die sich über einen recht langen Zeitraum vollziehende Entwicklung des Campus in jedem Ausbau­stadium eine eigene räum­liche Qualität sowie eine bauliche Identität aufweist. Daher schlagen wir vor, bereits mit dem 1. BA große Teile der neuen Mitte anzulegen und dreiseitig zu fassen. Mit dem neuen Park kann ein präg­nantes vis a` vis zu Modul 2 geschaffen werden, das auf einer ähnlichen städtischen Struktur beruht und sichtbare Bezüge herstellt. Wir erachten das „städtische Gegenüber“ am Park in Form kraftvoller Gebäude­zeilen als aus­kömmlich stark, um den Quartieren eine Adresse und dem Park eine räum­liche Fassung zu geben. Unsere Figur findet sowohl eine starke Anbindung an die Straßen­bahnhaltestelle im Norden als auch an den Haltepunkt im Süden. Mit einer neuen Platzfigur im Süden kann eine signifikante räumliche Diagonale zum zentralen Parkband geschaffen werden, die zugleich die vorhandene und zu erhaltende Grünstruktur aufgreift und als präg­nantes Element in die Gesamtfigur integriert.  

Unser Entwurf ist die zeitgemäße Interpretation einer klassischen Campus-Idee wie sie z. B. in der Jefferson University in Virginia umgesetzt wurde. Es ist eine robuste Struk­tur für einen zukunftsweisenden Campus.

 

Freiflächenplanung

Die Freiraumstruktur baut auf folgenden, den Standort prägenden Elementen auf: der bestehenden, erhaltenswerten Vegetationsstruktur, der Topographie, den Vorgaben aus der bestehenden Belastung des Untergrundes, der über­geordneten Erschließung sowie den stadträumlichen/ landschafts­räum­lichen Bezügen.

Die vorgefundene Landschaft stellt eine Übergangs- oder Zwischenlandschaft dar, die von einer industriellen Nachfolgelandschaft mit freien, natürlich ent­standen Strukturen (sowohl flächig als auch linear in der Ausrichtung ent­sprechend dem ursprünglichen Schienennetz) in eine neue Stadtland­schaft mit differenzierten Nutzungen überführt wird.

Durch eine Überlagerung und Integration von Teilen dieser natürlichen Frag­mente in eine ansonsten relativ geometrisch ausgeformte städtebauliche Ge­samtfigur entstehen spannungsvolle Übergänge und Brüche, die dem neuen Campus eine eigene spezifische Prägung geben. Hierbei entstehen Zitate und Bezüge zur ehemaligen Nutzung, die eine Überleitung zu dem südlich angrenzenden Land­schaftsraum (Lichtenreuth) herstellen, der vor­wiegend der Natur als Ausgleichs­fläche vorbehalten ist.

Die zukünftige Freiraumstruktur besteht aus öffentlichen Freiflächen, Plätzen, Pocket-Parks und grünen Nischen/ Fugen. Dazu kommen die den Gebäuden zugeordneten Freiflächen wie Innenhöfe, Dächer oder Terrassen. Die Freiraum­struktur umfasst somit unterschiedliche Ebenen und Schichtungen.

Wesentliches Element ist der zentrale Grünzug (die grüne „Tafel“). Dieser wird an den beiden Stirnseiten jeweils von einer Platzfläche gefasst. Der Grünzug mit den Plätzen wird über zwei „Brücken“ in Form von Boulevards mit den beiden wichtigsten Ankunftspunkten verknüpft. Im Nordwesten führt die Verbindung zur Straßenbahn­haltestelle am Übergangspunkt zum öffent­lichen Park an der Brun­ecker Straße. Im Südwesten verläuft sie zum „Scharnierplatz“ mit der zweiten An­bin­dung an die Straßenbahnhaltestelle und der zukünftigen U-Bahnstation.

Der zentrale Grünzug wird in seiner Anziehungskraft dadurch gestärkt, dass Gebäude mit zentralen Funktionen eingelagert werden. Diese werden so integriert, dass der Grünzug wie eine „grüne Decke“ über der Baustruktur verläuft. Die Zugänge der Gebäude liegen am nördlichen Campus-Platz auf Platzniveau. Der Grünzug wird leicht aufgefaltet und die Höhenausformung so ausgelegt, dass Wegeverbindungen und Aufenthalts­flächen niveaugleich vom Platz oder den angrenzenden Erschließungsflächen an die Gebäude ange­bunden werden können. Über, in den Grün­bereich eingeschnittene, Höfe werden die Gebäude belichtet. 

An verschiedenen Bereichen werden die vorhandenen, gehölzgeprägten Vegetations­bestände in die Planung einbezogen: entlang des östlichen Übergangs zur Münchener Straße verläuft ein dichter, waldartiger Streifen, der die Straße abschirmt und das Gelände einfasst. Als linearer Gehölzstreifen der sich von der Nordostseite quer durch das Gebiet zieht bis hin zum „Gelenkplatz“ und weiter nach „Lichtenreuth“ führt. Dieser naturnahe Streifen wird von einem geschwungenen Weg begleitet, der mitten im Campus­gelände ein Erleben von Natur und eine ruhige Erholung ermöglicht. Auf der Westseite des Cam­pus können im Bereich der Kita und zwischen den Gebäuden des QE und SW3 zwei weitere größere Bestandsbereiche in die Planung integriert werden.

Der westliche Teil des Planungsgebietes wird bestimmt von einem langen Boule­vard, der vom Gelenkplatz parallel zur U-Bahn verläuft. Eine Misch­verkehrsfläche mit gleichberechtigter Nutzung für Autos, Fahrradfahrer und Fuß­gänger wird von Baumgruppen gegliedert. Eingelagerte Platzflächen unterteilen die langgezogene Achse. 

Zwischennutzung Freiflächen/ Stufenkonzept

Da zu Beginn der baulichen Entwicklung nur (kleinere) Teilflächen des Areals für die Campus-Nutzung erforderlich sind, sollten die nicht benötigten Fläche als naturnahe Erlebnisräume verbleiben. Hierfür kommen unterschiedlichste Nutzungen in Frage, die je nach Ausformung und Struktur der Flächen ausgerichtet werden – vom Naturlehrpfad zur Vermittlung des Trans­for­ma­tions­prozesses (Inbesitznahmen der ehemaligen industriellen Flächen durch die Natur), über Community-Gardens, Kunst- und Kulturver­an­stal­tungen bis hin zu sportlichen Angeboten (Cross-Fahrrad, Cross-Golf, Beach-Volleyball, Boldern, …). 

Verkehrskonzept

In unserem Entwurf sind die ohnehin angedachten Anschlüsse an die Münchener Straße im Süden und am Flachweiher auskömm­lich, weil durch die gewählte Lage der Parkpaletten beide gleichwertig herangezogen werden. Für den Campus wird die Verkehrs­be­lastung dadurch minimiert, dass der Hauptfahrweg im östlichen Bereich des Campus im unmittelbaren Umfeld der Anschlüsse erfolgt. Im Modal Split könnte der MIV noch etwas zurück-genommen werden, da die perfekte Verflechtung des Radwege­netzes ideal-typisch alle Bereiche anbindet.

Der Campus wird zukünftig sehr gut über den öffentlichen Nahverkehr erschlossen: Im Radius von 300 m zu den Halte­stellen werden alle Gebäude bis auf die weniger frequentierten und im östlichen Campusbereich liegenden Hallen über ein eng­maschiges Wegenetz gut erreicht. Wir halten den im Osten an der Münch­ner Straße gelegenen Randbereich des Campus für geeignet, die „großen“ Campus­nut­zungen (Hallen, Werk­stätten, Labore) aufzunehmen, bei denen mit regel­mäßigen An­dienungen zu rechnen ist. Hier – mit direkter Straßenan­bindung im Norden und im Süden an die Münchener Straße – können auch Lkws den weitgehend autofreien Campus tangierend anfahren. Ferner werden in zwei erweiterbaren Parkpaletten im Nord-Osten und im Süd- Osten auch die Parkierungsflächen für den MIV peripher aber dennoch fußläufig nah zur Mitte angeboten. 

In den Kernbereichen ist der Fahrzeugverkehr über­wiegend ausgeschlossen. Wir denken, dass mit dieser Erschließungs­struktur ein lebendiger, urbaner und weitgehend autofreier Campus geschaf­fen werden kann. Fahrräder und Roller spielen in unserem Konzept eine wichtige Rolle als Campus-interne Fortbewegungsmittel. An den beiden wesent­­lichen Zugangsbereichen (Eingang Nordwest und Südost) werden Fahr­rad­stationen eingerichtet, an denen Leihfahrräder/ E-Bikes und Roller ausgeliehen werden können. Entlang unserer Campusmitte werden vor jedem Institutsgebäude großzügige Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Roller ange­boten (jeweils ca. 40-90 Fahrradbügel).